Winziges Haus, grosse Hürden – Tiny Houses, zweiter Teil

Wer hat nicht schon mal davon geträumt, ein eigenes Häuschen zu besitzen, inklusive Outdoor-Feeling? Dass die Idee der Tiny Houses aus den USA stammt, verwundert nicht, denn die USA verfügen über den Big Outdoor, gepaart mit einer kräftigen Prise Individualismus.

Befürworter*innen der Tiny House Bewegung stört es denn auch nicht, auf minimalem Raum mit multifunktionalen Möbeln zu leben: aus Schlafzimmer wird Büro, wird Küchentisch, wird Sitzecke, wird Schlafzimmer.

Aus Holz gebaut oder aus Schiffscontainern sind Tiny Houses meist günstig im Bau wie auch im Unterhalt. Und sie hinterlassen einen kleinen ökologischen Fussabdruck.

Wieso nur haben es Tiny Houses in der Schweiz so schwer? Woran hapert es, Hans?

Das Häuschen mag schnell gebaut und kostengünstig sein, aber wo darf ich es denn hinstellen? Bei uns ist das alles streng reguliert, sowohl was den Standort als auch was die Anschlüsse betrifft.

Aha, also doch nicht so easy, wie ich mir das vorgestellt habe. Worauf muss ich achten? Kannst du uns ein paar Tipps geben, Hans?

Wie schon angedeutet, Bauordnungen und Bewilligungen werden in der Schweiz gross geschrieben – das gilt auch für Minihäuser.

Fangen wir mit den Bauordnungen an: Für das Tiny House gibt es meines Erachtens keine Mindestgrösse. Worauf man achten muss, sind die Mindest-Grenzabstände.

Abstände einhalten

Rechne: Hat ein Tiny House beispielsweise eine Grundfläche von 15 m2, so brauchst du, alle Seiten des Minihauses eingerechnet, ein rund 200 m2 grosses Grundstück.

Und Land ist bei uns in der Schweiz kostbar. Nehmen wir an, auf dem Lande kostet das Grundstück 60’000 Schweizerfranken, so wird es in einem Stadtquartier das Doppelte sein.

Anschluss suchen

Dazu kommen Anschlüsse für Kanalisation, Wasser und Strom. Plus die Kosten für die Baubewilligung. Ach ja, plus die Schutzraumbaupflicht. Du siehst, du musst schon etwas auf der hohen Kante haben.

Okay, ich könnte ja auch mein Minihäuschen auf dem Campingplatz abstellen und die dortige Infrastruktur kostengünstig nutzen?

Schön wars, in den meisten Schweizer Gemeinden ist das nicht möglich, weil auf den Campingplätzen keine Daueraufenthalte erlaubt sind.

Wie sieht es denn mit einer Hypothek aus. Habe ich eine Chance, eine Hypothek von meiner Bank zu bekommen?

Eher nicht, denn sollte etwas schief gehen, müsste die Bank das Tiny House inklusive Grundstück versteigern können. Da sind die Chancen gering.

Sind also Tiny Houses in der Schweiz ein No-Go? Gibt es denn gar keine Hoffnung für Idealisten und Sparsame? Hilf uns, Hans!

Nun gut, wenn du jung oder fit geblieben bist, dann könnte ein Tiny House für fünf bis zehn Jahre gut passen. Suche nach Zwischennutzungen bei den Stellplätzen. Immer wieder gibt es ungenutzte Brachen oder stillgelegte, wo bereits eine Erschliessung vorhanden ist, jedoch in den kommenden Jahren noch nichts gebaut wird.

Gut verhandelt, ist halb gewonnen?

Absolut, hier könntest du über eine befristete Zwischennutzung verhandeln. Vielleicht über eine limitierte Pacht oder ein befristetes Baurecht. Es gibt auch die Möglichkeit, im Garten von Freunden solch ein «Stöckli» hinzustellen für eine befristete Zeit. Die meisten Anschlüsse wären vorhanden und bevor die Frist ablauft, einfach verlängern.

Nehmen wir an, ich gründe eine Familie und verlasse deshalb mein Tiny House oder «Stöckli». Was dann?

Vielleicht möchten die Freunde das Minihaus als Gästehaus oder Gartenhaus nutzen. Falls das Häuschen nicht mit einem Kfz-Anhänger abtransportiert werden kann, kannst du es zerlegen und bei Bedarf an anderer Stelle wieder aufbauen.

Das Wichtigste zum Schluss: Bevor du dich auf das Abenteuer Tiny Houses einlässt, vergiss einfach nicht, dass so ein Mini-Haus nur zu dir passt, wenn du sehr bescheidene Ansprüche hast, organisiert bist und topfit.

Autor: Isabel Conzett