Mein märchenhaftes Rendez-vous mit Natalie ...

Hans, vermittelst du neuerdings Partnerschaften?

Keine Sorge, ich bin noch immer mit ganzem Herzen als Häusermakler tätig.

Alles fing damit an, dass mich eine Natalie vor einiger Zeit anrief.
Sie heisse auch Graf, so Natalie, allerdings schreibe sie ihren Namen mit zwei F, also Graff. Sie gehöre zu einer berühmten Familie, nämlich «the Graff Family» aus London.
«The Graff Family» sei im Juwelier- und Edelstein-Business tätig und besitze weltweit Filialen. Sie hätten gut verdient in den vergangenen Jahren, weshalb die Familie sich entschlossen hätte, in Schweizer Immobilien zu investieren.

Klingt vielversprechend – oder etwa nicht?

Ja klar! Was ich denn für sie tun könne, hakte ich bei Natalie nach. Sie habe gesehen, dass noch drei der acht Einfamilienhäuser in Hallau zum Verkauf stehen, erwiderte sie.
«Schön», meinte ich, «was möchten Sie denn genau wissen?» Für den Moment reiche ihr die Auskunft; ich möge ihr doch das Verkaufsdossier an ihre GMX-E-Mail-Adresse zukommen lassen. Was ich dann auch tat.

Nach einer Woche rief sie wieder an. Auf meine Frage, ob sie vorhabe, eines der drei Einfamilienhäuser in Hallau zu kaufen, denn in der Schweiz hätten wir das Lex-Koller-Gesetz und es sei für Ausländer:innen mit Wohnsitz im Ausland schwierig, Wohneigentum in der Schweiz zu erwerben, antwortete Natalie, dass «the Graff Family» Gesellschaften in der Schweiz besitze, somit sehe sie kein Problem.

Spannend! Wie ging es weiter?

«Für welches der Einfamilienhäuser in Hallau interessieren Sie sich?», ich erlaubte mir, etwas konkreter zu werden. Prompt kam ihre Antwort: «Ich will alle drei kaufen!»

Ist doch fast zu schön, um wahr zu sein?

Genau, und es geht noch weiter: Ein paar Tage später rief Natalie erneut an. Ich möchte noch erwähnen, dass sie fliessend Deutsch sprach, mit einem osteuropäischen Akzent.
Sie fragte mich, ob es für mich in Ordnung sei, wenn sie eine Kaufzusage per Mail schicke oder ob ich per Post bevorzuge.

Daraufhin ich: «Natalie, wir kennen uns nun bereits ein wenig, deshalb genügt mir eine Bestätigung per E-Mail». Und prompt, drei Tage später kam Ihre E-Mail-Bestätigung mit einem beeindruckenden Logo der Firma Graff, London, inklusive Unterschrift eines Herrn Adam Graff.
Die Zusage war gespickt mit Schreibfehlern und einen Adam Graff konnte ich auf der offiziellen Homepage nicht finden.

Dafür stand in der Zusage, respektive Bestätigung: «Sollten die Käufer von dieser Zusage zurücktreten, so werden 10% als Reuegeld zurückgelassen.»

Ganz grosses Kino! Wie ging es weiter?

Jetzt wollte mich Natalie treffen, um die Randerscheinungen beim Verkauf persönlich zu besprechen.

«Natalie, geben Sie mir doch bitte die Adresse Ihrer Anwälte in der Schweiz und wir können die Angelegenheit ratzfatz erledigen», so mein Vorschlag.

Natalies Haltung änderte sich danach, sie zögerte, druckste herum und meinte schliesslich, sie wolle das doch lieber persönlich erledigen, schliesslich hätte ihre Familie, die Londoner Graffs, sie damit beauftragt. Nun gut, mir sollte es recht sein.

Hat das wirklich geklappt?

Natürlich nicht! Erneut ein Anruf von Natalie: Zurzeit könne sie leider nicht reisen, ihr Arzt hätte es ihr untersagt, sie sei hochschwanger. «Herzliche Gratulation, Natalie!», erwiderte ich. Ob ihr denn eine Alternative vorschwebe, um die Details zu besprechen.

Ja, ob es mir denn möglich sei, nach Rom zu reisen.

Nach Rom, hui, das wird ja immer bunter?

Oh ja, jetzt wurde es mir wirklich zu bunt. Ich bin mir sicher, wäre ich nach Rom gereist, so wäre ich direkt vor Ort über den Tisch gezogen worden.

In der Immobilienbranche nennen wir solch ein betrügerisches Vorgehen einen «Rip-Deal».
Das könne sie vergessen, antworte ich: «Sorry, aber so nicht, Sie sind eine Betrügerin – ich bitte Sie, mich nicht mehr zu kontaktieren!»

Hans, du bist ein Profi und weisst dich zu wehren. Was aber, wenn solche Halunk:innen es bei privaten Personen mit einem Rip-Deal versuchen?

Besondere Vorsicht rate ich Menschen, die privat ihr Haus, ihren prächtigen Oldtimer oder ihr Boot inserieren. Dass Natalie Graff ausgerechnet mich mit ihrem Prepaid-Handy aus Rom anrief, so was ist mir seit 20 Jahren nicht mehr vorgekommen. Solange gibt es nämlich diese Rip-Deals schon!

Ein «Rip-Deal» funktioniert also vorwiegend bei Privatpersonen?

Ja, für Privat-Inserenten gilt es besonders vorsichtig zu sein. Ob sie im Internet oder in der NZZ inserieren, spielt keine Rolle. Ein Rip-Deal läuft meist ähnlich ab.

Die Anrufer:innen, die das Objekt ungesehen kaufen wollen, klingen meist so: «Genau nach diesem Typ Boot/Auto/Haus habe ich lange gesucht … Ich will das sofort reservieren/kaufen!»

Hier sollte schon mal eine Warnglocke im Kopf losgehen?

Genau, und wenn dann auch noch traumhafte Garantien angeboten werden (siehe oben), dann können wir sicher sein, dass es sich hier um einen Rip-Deal handelt.

Und allerspätestens, wenn ein Treffen in Mailand/Rom/London etc. vorgeschlagen wird, das Telefongespräch beenden und die Nummer sowie die E-Mail-Adresse blockieren.

Könnte es sich nicht auch mal um eine einmalige Chance handeln?

Denke bitte nicht, in deinem Fall handle es sich bestimmt um eine Ausnahme und eine einmalige Chance. Da muss ich dich enttäuschen – es wird Betrug sein.

Denn kurz vor der Abreise wirst du nochmals kontaktiert und gebeten, beispielsweise 50'000 Franken mitzubringen. Dies sei dringend nötig, um den Deal abzuwickeln. Man könne momentan leider nicht selbst zur Bank gehen. Und die 50'000 Franken seien doch die hohe Provision von 20%! wert usw.

Ich kann dir versichern, wenn du trotzdem vor hast, zu reisen, so wirst auch du kriminell: Denn wenn du mehr als 10'000 CHF Bargeld über den Zoll bringst, ohne es zu deklarieren, machst du dich strafbar.

Das hat zur Folge, dass du vor Ort nicht einmal zur Polizei gehen und Anzeige erstatten kannst.

Also die Finger davonlassen. Aber wieso gibt es diese Rip-Deals schon so lange?

Weil diese Art von Betrug immer noch funktioniert.

Deshalb nochmals zum Mitschreiben: auflegen bei solchen Anrufen! Und nie, nie nach Rom, Mailand oder London reisen. Denn erscheint einem ein Angebot einmalig, gar märchenhaft, dann gibt es bestimmt ein böses Erwachen.

Autor: Hans Graf / ico